Die Zuagroasten

Ausgerechnet Inzenhof!

aus dem Kabarettprogramm "Die Zuagroasten"



"Die Zuagroasten" im Mai 2016 bei der Benefizgala der Burgenländischen Krebshilfe im Konzertsaal Raiding

Betrachtungen von Konstanze Breitebner

 

Warum ausgerechnet Inzenhof? Keine Ahnung, weiß ich nicht ... oder vielleicht doch ... ich habe den Verdacht, das hängt damit zusammen, dass ich in einem kleinen Weinhauerdorf aufgewachsen bin, ja, ich bin ein Landmädel aus Schönau an der Triesting, auch wenn man mir das nicht ansieht, aufgewachsen in einem kleinen Straßendorf in Niederösterreich, richtig vom Land. Da wo heute die Containerhallen für Baumarkt, Obi und Mc Donald wachsen, waren in meiner Kindheit Felder, Weingärten, Wiesen – nix halt. Ich war im Stall bei den Kühen und Schweindeln und im Weingarten unterwegs- Lesen, Blunzenmachen, Sautanz, Feuerwehrübung, Strohdreschen, Strohdristen raufklettern und beim Pfingstumzug Gras und Pfingstrosenblätter auf die Straße streuen vor dem Herrn Pfarrer, der unterm Baldachin geht und den Jesus durchs Dorf tragt – das sind so Bilder aus meiner Kindheit.

 

Die war im Alter von sechs Jahren dann momentan vorbei, weil die Eltern sich scheiden ließen und mein Bruder und ich mit meiner Mutter nach Wien gegangen sind. Ab da war ich eine Stadtpflanze, ruck zuck. Wie ich mich bei dieser extremen Veränderung gefühlt hab? ...

 

Dann Schule, Gymnasium, Schauspielschule, Engagement im Volkstheater, dann Theater in Deutschland, immer Stadt eben. Bei einem Schauspiel Training ging´s mal um den ganz persönlichen, idealen Platz: spontan befragt man da seine Phantasie und tschak – ich war am meisten überrascht – hatte ich ein Bild von einem Haus mit großem Garten und Wald drumrum im Kopf. Ich in einem Haus mit Wald drumrum? Ich war gerade in Frankfurt engagiert, Mainhatten mit Provinz drumrum.

 

Dann kam unsere Tochter zur Welt und wir haben in der Nähe von Wien eine umgebaute Scheune gepachtet. Kind braucht Natur – meine Tochter sollte wissen, dass die Milch nicht aus dem Packerl im Supermarkt kommt, was Schnee und Regen und Hitze und Jahreszeiten sind und dass Brennnessel brennen und Stechdisteln stechen. Nun, das weiß sie und ich bin sicher, dass das total wichtig ist für einen Menschen, auch wenn sie jetzt Wirtschaft studiert und gerade in Berlin lebt.

 

Wieder einige Jahre später, Kind war aus dem Haus, haben Peter und ich beschlossen: jetzt ein eigenes Haus und Garten und Grün und so und die Suche begann: zunächst in der Umgebung von Wien, das Ergebnis lässt sich kurz zusammenfassen: scheußlich und unbezahlbar. Im Wiener Wald zum Beispiel, dieses akkurate 70er Jahre Haus eines Generals im Ruhestand, der seiner Frau einen Kosmetiksalon im Keller eingerichtet hatte – eine Geisterbahn mit unsichtbaren Geistern zu einem astronomischen Preis. Außerdem gibt´s rund um Wien kein Eck mehr, das nicht verbaut wäre, irgendeine Straße oder Autobahn hörst du immer und die Nachbarn schauen dir ins Klofenster rein, weil die Grundstücke winzig sind. Nein, mit meinem Traum vom alten Haus mit großem, riesengroßem Garten und Wald drumrum hatte das überhaupt nix zu tun. Ich war verzagt – also kein Haus?

 

Kein Haus also, ist eh besser, was das kostet! Für das Geld, das du da hineinsteckst, kannst du Reisen machen, Urlaub in tollen Hotels, irgendwo auf der Welt, rechne doch nach, ein Leben lang!

 

Na gut, dann fahren wir auf Urlaub. Wir hatten Tickets für den 25. Dezember: Wien – Colombo, Sri Lanka am 25. Dezember 2004! Ja, genau ... genau an dem Tag, als wir losfliegen sollten, gab´s den Flughafen in Colombo schon nicht mehr – das Meer hatte ihn verschluckt. Genau, da war der Tsunami über Indonesien hinweggebraust. Kein Haus und – Gott sei Dank – kein Urlaub. Wir sind damals nach stundenlangem Warten in Schwechat wieder nach Hause, in die Wiener Wohnung gefahren. Wenn ich schon in Sri Lanka gewesen wär, wär ich sicher am Strand gewesen und hätte, wie so viele idiotische Touristen das Meer bestaunt, das sich meterweit zurückgezogen hatte – wahrscheinlich hätte ich auch noch die Welle angestarrt, die da meterhoch heranrollte ... oje, ich schweife ab, wir sind nicht geflogen, ich war nicht am Strand und lebe noch, ein bisserl bewusster vielleicht? Weiß ich nicht ... aber im Frühjahr, mit den ersten Sonnenstrahlen kam die Sehnsucht wieder. Wir wollen doch ein Haus. Aber wo?

 

Eine Freundin hatte eine Freundin, die bei einer Freundin in Jennersdorf ein Haus wusste und so sind wir ins Südburgenland gekommen. Eher misstrauisch, ich jedenfalls, weil Burgenland für mich, wie für alle Wiener: See, flach, Mörbisch, Flugzeuglärm bedeutet. Da hab ich aber geschaut – Südburgenland ist ja ganz anders, Hügel, Wälder, vor allem Eichenwälder und Grün, unverbautes Grün, einfach Landschaft! Was für ein Schatz! Was für ein Paradies!

 

Unser Platz im Paradies musste erst noch gefunden werden ... jedes Wochenende runterfahren, also hinein, weil von Inzenhof aus ist Wien ja draußen, wie ich gelernt habe – also fuhren wir ins Südburgenland herein, kreuz und quer ... nach ungefähr 50 Objekten war ich ein bisschen ermattet. Man glaubt nicht, was es alles gibt! Ich weiß nicht warum, aber ich wollte immer ein altes Haus, an Neubauen haben wir nie gedacht. Alte Häuser haben eine Geschichte, was schön ist – außer du stehst in einem äußerlich ganz hübschen Haus drinnen vor riesigen, mit viel Aufwand gedrechselten Türrahmen und Treppengeländern, wie bei Familie Feuerstein, der ganze Stolz des Besitzers – ein düsterer Horror, den du sofort wegreißen müsstest. Oder diese wunderschöne Buschenschank in Kropotek! Da hab ich mir gedacht, ja, da können wir bleiben und dann geh ich um die Ecke und hab die Hochspannungsleitung direkt vor mir, die sich surrend übers Tal spannt, die kriegst du nicht weg. „Ja, Frau Breitebner, wir schneiden die Hauptleitung nach Graz um, klar, wenn sie das stört in der Landschaftsbetrachtung, natürlich“ ... wieder nichts. Oder dieses Haus mit den vielen bunten Fliesen und dem offenen Badezimmer, wo du praktisch der Mama beim Kochen zuschauen kannst, wenn du aufs Klo gehst, oder dieses überdimensional große Haus, das einst für fünf Kinder gebaut worden war. Als wir dort waren, saß ein kleines Männchen auf der Couch, der Vater der fünf Kinder nach einem Schlaganfall. Eine junge Frau... Vaters neue Freundin, führte uns herum. Ehefrau und Kinder waren davon ... und dem Vater war dieses Haus zu groß und zu anstrengend. Die Geschichte war ganz schrecklich und ich hatte den Impuls, irgend etwa musst du in der Sekunde für diesen armen Mann tun - sein Haus kaufen wollte ich ganz bestimmt nicht, mit der Geschichte!

 

Naja, das ist halt ein Hund, ich will ein altes Haus, ein schönes, altes Haus mit großem, riesengroßem Garten und Wald drumrum ... aber nicht so viel Geschichte! Bitte nicht zu viel Geschichte. In eine Scheidungsruine zu ziehen ist doch ein schlechtes Omen, so viele Räucherstäbchen kannst du gar nicht anzünden! Bei jeder Auseinandersetzung mit meinem Mann – und die gibt es oft – würde ich dann denken: Na bitte! Ist doch klar, die Streitereien hängen hier noch in der Luft, gleich, gleich, bald, bald, werden wir uns auch trennen und dann wird unsere Beziehung auch kaputtgehen, so wie bei den Vorbesitzern. Ich bin abergläubisch, was soll ich machen? Bitte, ich will die Geschichten nicht hören, ich will leere Häuser besichtigen, dann kann ich mir einreden, es gibt keine Geschichte. Noch besser wär´s natürlich, wenn es sie wirklich nicht geben würde, ja, genau!

 

Also, die Suche ging weiter: ein altes, schönes altes Haus mit ohne Geschichte, großem, riesengroßem Garten und Wald rundrum – laut hab ich das nicht gesagt, ich wollte ja nicht verrückt wirken. Mittlerweile war´s Sommer 2006 und wir hatten schon richtig viel angeschaut und immer war irgendein Haken dabei und sei es auch nur eine allzu ausführlich geschilderte Scheidungstragödie. Aber aufgeben? Wie denn? Die Gegend ist so bezaubernd, da wollten wir bleiben wir waren wildentschlossen und weiter ging´s, wieder mal zwei Tage lang herum fahren und Häuser anschauen. Wir haben in der Zeit auch viele Hotels kennengelernt, hier in der Gegend. Bei dieser Gelegenheit waren wir im Love Hotel in Stegersbach. Da ist so ein Honey Moon Ding, überall hängen Herzchen, die Zimmer sind kuschelig eingerichtet und die Drinks heißen: heiße Nächte und first Love. Wir saßen da mit unseren Mappen voller Häusern und fühlten und uns einigermaßen deplatziert. Also ich meine, wie das wohl ist, wenn man da wirklich die Flitterwochen verbringt oder ein superrelax Wochenende für Mami und Papi als Weihnachtsgeschenk von den lieben Kindern ... ob man da Lust hat? Bei der Vorstellung rund um dich herum sind lauter junge Paare, die konzentriert ein erotisches Wochenende erleben müssen ... na, ich weiß nicht. ich konzentrierte mich auf die Häuser, wieder nix, ganz schön frustriert wollten wir nach Hause fahren. Da war nur noch eines auf meiner Liste, aber da wusste ich schon von den düsteren Fotos im Internet, das ist es nicht. Sicher nicht!

 

Aber weil wir halt schon mal da waren ... der Nachmittag war spät, sonnig, bisserl herbstlich, warm ... ich war sicher, das ist überhaupt nix für uns, aber bitte, fahren wir halt hin in dieses, wie heißt das? Inzenhof. War nicht leicht, aber wir finden das Dorf, entdecken ein Schild „Fuchsgraben“ , das Haus steht am Fuchsberg, hat die Maklerin gesagt, also fahren wir den Hügel rauf, schon beim Fahren durch den Wald denk ich mir... das ist ja schön, das wäre doch nicht schlecht und dann sind wir oben und rollen auf diesen überwucherten Zaun zu und plötzlich sag ich „Schatz, ich glaub, das ist es!“ Echt, so war das. Die Fotos im Internet waren einfach total schlecht gewesen. So, als ob das Haus nicht verkauft werden wollte. Ach ja, das Internet! Was soll ich sagen, diese Annonce wurde offensichtlich nie gelöscht. Noch Jahre später stand eines Tages plötzlich eine schweitzer Familie in unserem Garten, sahen sich um und meinten: ja ganz nett, dass nehmen wir!

 

Aber zurück zum ersten Moment: Wir gehen durch das Tor und schauen in den großen Garten und zu den grünen Hügeln hinüber, dann zum halbfertigen, seltsamen Rohbau und den alten Bäumen am Grund und zur der wilden Blumenwiese und ich spür ganz deutlich: Das ist es! Anstatt ins Haus bin ich zuerst in den Garten, hab mich unten vor den Föhren zu dem kleinen Quittenbaum gesetzt, dessen Äste sich auch damals gebogen haben, vor lauter schwerer, dicker Quitten und .. hab ... mich .... glücklich gefühlt. Ja, klingt jetzt kitschig, ist es auch. Aber manchmal ist das Leben halt kitschig. Immer wieder, wenn ich zum Quittenbaum hinunterschaue und die Wolken hoch droben, drüberziehen und die Föhren rauschen, dann ist es wieder kitschig und ich mag das, ganz sicher.

 

„Bist du sicher, dass du das kaufen willst?“ Pragmatisch, praktisch, darauf konzentriert, mich vor Dummheiten zu bewahren, musste unser Anwalt mich das fragen. „Weißt du, worauf du dich da einlässt?“

 

Nein, wusste ich nicht, Gott sei Dank und ja, ich war mir sicher. Unser Anwalt war zurecht besorgt, weil das Grundstück, also die Grundstücke mit unterschiedlichen Schuldscheinen und, mittendrin auch mit einem Verkaufsverbot gepflastert waren. Irgendwie hab ich das überhört und mein lieber Mann war zuversichtlich und nach langen Verhandlungen und zu einem – Liebhaberpreis – gell? A wos, baasd eh! Wir sind ja Liebhaber! Wenn die Eichen rauschen und die Wolken tief hängen, ist es richtig, wenn der Regen herunterschnürlt ist es richtig, vor allem, weils nicht gar so oft regnet, wenn der Kuckuck das Lauteste ist, wenn die Sterne in der Dunkelheit blinken, es ist nämlich noch richtig dunkel hier, das gibt’s in der Stadt nicht mehr, wenn die Hunde im Tal kläffen und der verreckte Hahn von der Hedi nebenan sein ähähäh herausruft, auch um vier in der Früh, ist es richtig. Also kurzum – alles ließ sich regeln und wir haben diesen wunderschönen Platz seit sieben Jahren. Kurz vor Weihnachten wurde unterschrieben. Na und ich bin wieder ... zum Quittenbaum, hab ihn begrüßt, mich umgeschaut und mir wurde ganz schummelig, du liebe Zeit: Das gehört jetzt mir, uns! Genau da hat´s klick gemacht: Ich stand da, Dezember, kalt, grau, der Himmel hing noch tiefer und ich hab´s genau gemerkt: ein Haus mit ohne Geschichte, weil ja noch Rohbau, ein großer, riesengroßer Garten und Wald drumrum! Hei, das war doch immer mein Traum gewesen! Und jetzt war das wirklich? Wow.

 

Ja .... wow. Wir hatten einen Rohbau, bei dem die Arkaden zugemauert waren, im Unterstock einen offenen Schotterboden und fünf kleinen Kammerln und einen kaputten Brotbackofen und der Oberstock? ein roher Dachboden mit betonierter Treppe, mitten vor einem Fenster. Super. Apropos Fenster: die sind gut, wunderbare Lärchenkastenfenster. Und der Keller ist gut gebaut, die 50er Mauern, der Dachstuhl - alles gut. Ja ... und wenn man da ein bisserl umbaut, fertig baut, dann wird das was. in ein paar Monaten, im April können sie einziehen, kein Problem.

 

Eingezogen sind wir dann nicht im April ... aber das hat mit Baustellen zu tun, also Baustellen im Südburgenland im Speziellen.

Erst mal waren wir gelandet in Inzenhof, ausgerechnet in Inzenhof!

 

Traumhaus war Wirklichkeit, mit großem, riesengroßem Garten und Wald rumdrum und diese Wirklichkeit war halt halbfertig und ziemlich verbaut und da beginnst du zu planen - heißt in Wirklichkeit: träumen. Und in den folgenden Monaten sagst du dir immer öfter: träum weiter, Süße! Weil die Dinge so einfach scheinen und halt superkompliziert sind. Klare Linien zb ha! Sind wahnsinnig schwer in ein Haus hineinzubringen. Und da hilft es überhaupt nichts, dass dir liebe Freunde bestätigen: beim Hausbauen ist das halt immer so. Inzenhof 87 ist mein erstes, eigenes Haus, mir ist wurscht, ob das immer so ist. Mein Peter Mann hat viel Erfahrung, macht alles selber und plant umsichtig, aber Inzenhof 87 ist auch sein erstes richtig eigenes Haus, mit richtig großem Garten und Wald drumrum und ohne Heizung und ohne Verputz und mit ohne einem Plan fürs Große Ganze! Hundert, nein Tausend Mal hat er mir gesagt: pass auf! wenn du in dieser Ecke was wegnimmst oder dazugibst, ändert sich alles, insgesamt und ich dann beharrlich, aber wenn es in dieser Ecke durch wegnehmen oder dazugeben schöner ist, dann ist es doch insgesamt auch schöner und er dann wieder: mag sein, aber es ist ...

 

... es ist eigentlich erstaunlich, dass wir immer noch zusammen sind. Führerschein machen, meistens die Frau, Kinder kriegen und Hausbauen, noch schlimmer Hausumbauen - sind so die verminten Gebiete, wo man einander mit der Hacke rasiert. Oder? Wir haben erstaunlicher Weise in der Planungsphase nicht gestritten, wir standen da im Schotter und haben mit Platten und Plastiksäcken die Konturen des Esstisches in den Dreck gelegt und an die Wand gezeichnet, wo das Fenster hingehört – irre, dass wir diese ganz Prozedur des Um und Fertigbauens unbeschadet überstanden haben. Schwungvoll und frohgemut machten wir uns ans Planen, jeder hatte so seine Ideen, meine waren immer die Kostspieligeren und seine die Praktischen, aber wir haben uns abgestimmt – also: meine wurden praktisch umgesetzt und bald ging´s drum, auszusuchen und zu entscheiden, wie das alles so ganz konkret ausschauen sollte. Welches Holz, welche Fliesen, welchen Stein und so weiter und so weiter: der Beginn der Höllenfahrt für mich.

 

Es ist nämlich so: wenn man mich richtig schwer bestrafen will, schicke man mich in einen Baumarkt. Auch wenn sie noch so klein ist, Auswahl überfordert mich - Fliesenland und Teppichland und Holzfußbodenpalletten und Farbkarten und Badewelt und Vorhangtraum machen mich wahnsinnig. Ich werde so unruhig müde leer und ... aggressiv! Ich meine es ist schon so: ich schaue hin und in der ersten Sekunde, tschak spontan, intuitiv weiß ich, was ich will. Aber wenn ich auch nur zweimal nachdenke, dann ist es aus. Wenn dann auch noch der liebe Mann daneben steht und sagt, du schau mal, das ist doch auch nicht schlecht ... dann wird’s katastrophal. Nicht schlecht ist einfach nicht genug, es muss doch perfekt sein, das schaue ich mir ja die nächsten Jahre an, da leb ich doch damit, naja und dann steh ich stundenlang und weiß überhaupt nicht, was mir gefällt, geschweige denn, was womit zusammenpasst. Eigentlich wär´s dann am Besten, ich gehe wieder und komme in drei Wochen wieder. Unbelastet und frisch und ausgeruht. Nur das geht ja nicht! die Handwerker warten und wir sind extra hingefahren, wer weiß, wann wir wieder Zeit haben werden! Es muss einfach entschieden werden. Das ist klassische Überforderung, oder? Um die zu vermeiden, also sonst im Leben, musst du dich auf dich besinnen und die Ruhe finden und lockerlassen und auf deine innere Stimme hören. Aber wie macht man das, mitten in einem Baumarkt? Ich wollte ja entscheiden und deshalb war ich dazu verdammt, dort zu stehen. Männer gehen zur Entspannung in Baumärkte! Die finden auch immer etwas, das sie dringend brauchen und sie können sich anscheinend ganz leicht entscheiden. Also mein Mann kann das, es macht ihm sogar Spaß. Außer, wenn ich wieder mal die teuersten Fliesen am Schönsten finde. Aber dann lächelt er am Schluß und meint, gut, wenn sie dir wirklich gefallen, was soll´s is eh schon wurscht, nehmen wir die. Und dann geht er aus dem schrecklichen Fliesenland hinaus und ist fröhlich! Ich hingegen schleiche erschöpft raus und frage mich zwei Minuten später, ob meine Entscheidung richtig war. Also diesbezüglich war diese Zeit mit dem Umbau schon richtig therapeutisch. Weil ... ich habe entschieden, wir haben uns irgendwie dann doch geeinigt, auf Holz, Fliesen, Stein und Farben und ein paar Wochen, Monate später war das dann im Haus, seither muss ich mit meinen Entscheidungen leben und siehe da: ich find sie gut! immer noch! schöne Erfahrung, muss ich sagen. Natürlich würde ich einiges anders machen. Nach 6Jahren drin wohnen weiß man schon auch die Fehler, man sagt ja, dass man ein Haus dreimal bauen muss ... aber allein die Vorstellung treibt mir die Schweißperlen auf die Stirn, dann müsste ich ja wieder in diese Baumärkte ...

 

Das ist doch wirklich ein Phänomen, fast alle Männer, die ich kenne, gehen gerne in Baumärkte, kommen stolz mit glänzenden Werkzeugkoffern und Schrauben und Muttern und Geräten und Werkzeugen nach Hause.

Mir hingegen machen Maschinen und Geräte eher Angst. Sie verwirren mich in ihrer Vielfalt. Man braucht ja für jedes Gerät eine andere Schraube und einen speziellen Schraubenschlüssel. Ich habe nie verstanden, wie man sich da zurechtfinde soll? Warum kann das nicht einheitlich sein? Ich meine so, ein Schraubenschlüssel für alle Geräte! Unlängst habe ich unsere Motorsense aktiviert, Gras unter den Apfelbäumen schneiden. Du meine Güte! Fünfzigmal in den Finger gehackt, weil diese eine Schraube locker war und ich das System, wie man diesen vermaledeiten Faden einfädeln und aufrollen soll, nicht kapiert hab. Himmel Herr Gott nochmal – da stehst du unterm Apfelbau, knallst zum zehnten Mal mit dem Kopf gegen die tiefhängenden Äste und diese Sense senst nicht, weil sich die Plastikschnur verfängt und das hohe Gras um den Drehknopf schlingt oder ganz originell: das Benzin aus ist. ich entschuldige mich hiermit bei allen Nachbarn für mein Gefluche. Es ist wahrscheinlich im ganzen Fuchsgraben zu hören gewesen. Irgendwann hatte ich die Zornesvision, alles Apfelbäume radikal zu schneiden, sodass nur die oberen Äste hübsch in den Himmel stehen und ich unten drunter bequem mit dem Rasenmäher tuckern kann. Aber das ... das ist natürlich völlig absurd. Ich liebe diese Apfelbäume, so wie sie sind. Und irgendwann war das Gras darunter ja auch geschnitten und ich habe die Motorsense in die Ecke geknallt, gleich neben den hübschen, neuen Rasenmäher, der ganze Stolz meines lieben Mannes. Der schneiden, der fährt vor und zurück, der ist stark und perfekt! Fragt sich nur wie lange? Irgendwann knattert der auch und dann ... hört man meinen Mann fluchen. Naja, wenigstens weiß er, wie man das Ding repariert, meistens.

 

Das ist doch irre, du kaufst den supertollen, extraneuen Rasenmäher und dann ... ist er kaputt! Wieso funktionieren diese Geräte und Maschinen nicht einfach? Weil ungeschickte Menschen wie ich, sie falsch bedienen! Wahrscheinlich. Aber ... unseren Rasentraktor habe ich all die Jahre niemals angerührt. Das habe ich mich nicht getraut und mein Mann hätte das auch irgendwie nicht wirklich gerne. Das ist sein ... wie soll ich sagen? Spielzeug ist es ja nicht, er mäht ja wirklich die riesige Wiese damit also, der Rasentraktor ist halt seines. Besonders seit er die neuen Spikereifen hat – ha, da fährt der Peter Wiese auf, Wiese ab und hat ein Freude. Er kann jetzt auch durch den Weingarten brettern, ohne sich zu überschlagen. Hat er auch schon gemacht! Ich war Gott sei Dank nicht dabei und außerdem schweife ich ab. Es geht mir darum, dass ich den heiligen Rasentraktor bis jetzt nur angeschaut habe, echt, ihn also nie mit unsachgemäßer Benützung verdorben hab und trotzdem! Ist er schon kaputt gewesen. Und wie oft auch noch! Warum, frage ich mich wieder, warum können diese Geräte verdammt noch mal nicht einfach funktionieren? Ich meine, sie funktionieren schon – eine Zeit lang. Aber auch wenn ich Undam, Falschbenützerin und drei linke Hände Haberin, sie nur anschaue, sie gehen kaputt, trotzdem. In letzter Zeit habe ich einen neuen, ganz bösen Verdacht: es ist doch auffällig, dass Geräte immer erst nach einer bestimmten Zeit kaputt gehen und zwar so kaputt, dass die Reparatur, wenn man sie eben nicht selber machen kann, teurer wäre, als ein neues Gerät! Ich meine, das ist doch irgendwie verdächtig, vielleicht ist das gar kein Zufall? Vielleicht kann man sie so fachgerecht und professionell bedienen, wie nur irgend möglich? Vielleicht liegt es gar nicht an mir? Vielleicht haben die irgendetwas eingebaut, damit sie kaputt gehen müssen, nach Ablauf der Garantiezeit. Mir jedenfalls ist es bis jetzt noch nie gelungen, die Garantie auszunützen. Mein Computer war zwei Wochen drüber, als sich die Festplatte plötzlich erhitzte und unbrauchbar wurde. Vielleicht spinne ich jetzt, aber ich habe das Gefühl, dass diese Dinge nicht zufällig ihren Geist aufgeben. Es gibt da auch einen Begriff dafür: geplante Obsoleszenz! Genau! Die gehen geplanter Weise kaputt! Das i s t eingebaut.

 

Weil, wenn man handwerklich geschickt oder einfach ein Mann ist, dann marschiert man in die Baumärkte oder zu den Genossen und holt Ersatzteile und zangelt herum. Wenn man ein Haus umbaut, also genau genommen ist das ja auch eine Form von reparieren, braucht man so viele Dinge. Das bringt insgesamt auch gute Umsätze, glaube ich. mein Mann sagt immer, dass er schon ein kleines Vermögen in die Baumärkte getragen hat. Aber anscheinend geht das nicht anders. Oder? Auch deshalb hasse ich Baumärkte, wirklich, weil sie mich an die vielen, kleinen Katastrophen erinnern, die mir so beim Hausbauen und später dann beim simplen Wohnen zugestoßen sind. Also ganz ehrlich, ich finde es ganz großartig, dass mein Mann dort gerne hingeht und sich um diese Dinge kümmert. Bussi Schatz und vielen Dank!

 

Aber ich war beim Umbau? Da beginnt nämlich auch der Prozess des Ankommens! Also ich werde ja immer eine Zuagroaste bleiben, aber man kommt halt so an, lebt sich ein, „integriert“ sich und lernt die Sprache. Ja, das ist wirklich so für eine wie mich: ich habe euch, liebe Leute am Anfang nicht verstanden. Dei Souchan und oft heibts o ... und so. unser Baumeister, der wunderbare Herr Winter brauchte Entscheidungen zumeist sofort. Welche Wasserhähne wir wollen? Fragen sie doch meinen Mann, der ist so gerne im Bad. Ihr Mann hat gesagt: meine Frau entscheidet!

 

Wasserhahn ist doch gleich Wasserhahn – dachte ich - aber es ist eben überhaupt nicht egal, welchen Wasserhahn man sich zulegt. Du musst ihn ja die kommenden Jahre, wenn du Pech hast, Jahrzehnte anschauen. Jeden Tag! Ich meine, das muss dann schon der richtige Wasserhahn sein. Aber wenn man so vor eine Galerie Wasserhähnen steht, dann wird man panisch. Ich zumindest, jeder hat was für sich, aber jeder ist auch scheußlich. Wie sollte ich mich da entscheiden?

 

Ich muss mir dann Modelle bauen. Was dazu geführt hat, dass Baumeister Winter eine Miniaturtreppe anfertigen ließ – für mich zum Anschauen und für ihn zur Sicherheit, dass ich auch wirklich so eine offene Stiege haben wollte, so ohne was dazwischen. Ja, hab ich gesagt, ich will, dass die so schwebt, dass sie so durchsichtig ist, als ob sie gar nicht da wäre, ja, genauso will ich sie. Also, das heißt, ich muss auch darüber reden, über meine Wohnideen. Die Geduld meines lieben Peter Manns hat auch Grenzen, das ist verständlich, weil er sich die Dinge immer sehr gut vorstellen kann und vom Bauen insgesamt halt wesentlich mehr versteht als ich. Also wurde Baumeister Winter mein Gesprächspartner. In dieser Planungsphase meine ich. Während außen die Arbeiten an der Fassade begannen, kam er oft auf die Baustelle und wir kletterten dann drinnen herum und ich versuchte, klug zu denken und meine Ideen gut zu erklären, weil ja immer, wenn du an einer Ecke etwas wegnimmst oder dazugibst, alles verändert wird. Baumeister Winter ist ein geduldiger Zuhörer. Musste er mit mir sein, weil ich mich oft so heranrede. Also am Ende der Umbauzeit war ich dann besser, da hab ich dann relativ rasch sagen können: um Himmels Willen, nein, das geht so überhaupt nicht, oder seien sie mir nicht böse, der rotlackierte Waschtisch war ein völlig irrsinnige Idee von mir, bitte reißen sie ihn wieder raus, ich wollte das so, ja natürlich, aber es ist einfach nur scheußlich, ich habe mich geirrt. Ja, ich habe viel gelernt, mit diesem Haus, das muss ich zugeben.

 

Zum Beispiel: ich muss immer die erste Vision verfolgen! So, wie damals, wie wir uns in der Schauspielschule den idealen Ort vorstellen sollten, an dem wir sein wollten. Ein Haus mit Garten und Wald drumrum, wo es still ist und wo man ganz viel Grün sieht und der Himmel so nah ist - das war als erstes Bild in meinen Kopf. Ja, ich habe mich erst vor Kurzem erinnert: dieses Haus in Inzenhof, ausgerchnet Inzenhof, hab ich schon so lang im Kopf gehabt. Zack, da war es und ich hätte nie gedacht, dass ich es einmal wirklich finden und bewohnen würde. Das war meine erste, völlig verrückte Vision von meinem Leben und so weiß ich meist ganz spontan, was ich will und vor allem, was ich nicht will. Ich muss nur versuchen, dieses erste Bild zu bewahren, in meiner Phantasie, dann kann ich auch entscheiden.

 

So war das auch mit der Treppe. Baumeister Winter hörte auch aufmerksam zu, er schaute mich lange an und dann kam: „Ahsou!“ – dieses „Ahsou“ ist so eins von diesen Worten hier. Ganz kurz und doch ist da so viel drin: ein ungläubiges Staunen: was meint sie? und ein Nachdenken: wie soll das ausschauen? und eine kleine Höflichkeit, die andeutet, dass ich vielleicht noch mal nachdenken sollte und nicht zuletzt schwingt mit, dass das, was ich mir da einbilde, ein ziemlicher Holunder ist. Ich weiß, dass ist jetzt eine böse Unterstellung und im Südburgenland sagen alle: Ahsou? Und dieser Tonfall ist ganz normal ... aber trotzdem, es fiel und fällt mir sauschwer mich nicht angegriffen zu fühlen. Manchmal wurde ich ja auch ungebührlich heftig und betonte, ja, ich will die Treppe so offen, es mag sein, dass eine geschlossene Holztreppe solider und sicherer ist, vor allem für kleine Kinder, aber das gefällt mir nicht, ich will sie offen!!! Langes Schweigen und dann kam: Ahsou! Von diesem zweiten Ahsou wusste ich zumeist noch weniger, wie es gemeint gewesen sein könnte.

 

Mir ist durchaus bewusst, dass ich mit meinen Wünschen ein bisserl ... anders ... bin. Wenn man in unser Haus kommt, steht man sofort mitten im Raum. Da gibt´ s kein Vorzimmer, ich wollte diese Kammerln nicht, ich wollte die vielen Mauern nicht, ich wollte ... klare Linien. Ja, und wenn man einen Schritt weitermacht, sieht man auch gleich die offene Küche. Ich bin keine gute Köchin, ich hab gerne Gesellschaft beim Kochen, ich will nicht allein in der Küche stehen, so toll sind meine Künste nicht, ich rede gerne beim Kochen, hab gerne Leute um mich, lasse mir gerne Tipps geben. Am Liebsten sind mir die Gäste, die gleich selber kochen. Ja, so etwas gibt´s: meine Freundin Adelheid, zum Beispiel, die hat in Wien ein kleines Restaurant, das Reisingers´ - super gut, kann ich nur empfehlen – und sie ist die beste Köchin. Als sie uns mit ihren Mann Michael besuchte, saß sie am Esstisch als ich zu Kochen begann und hat mir zugeschaut. Genau 13 Minuten hat sie das ausgehalten, dann ist sie aufgesprungen und hat mit den Worten „Jetzt ist genug!“ die Küche, also vor allem, das Kochen übernommen. Hätte ich an diesem Abend gekocht, hätten wir wesentlich schlechter gegessen. Und das verdankten wir meiner kommunikativ offenen Küche. Und deshalb hab ich damals Baumeister Winter erklärt, dass ich alle Mauern weg haben will-

 

Das mit den Mauern war überhaupt so eine Geschichte: erst die Mauern weg und dann beschlossen wir, dass auch die betonierte Treppe weg musste und dass wir im Grunde einen einzigen Raum wollten. Ja, Herr Winter, so haben wir uns das gedacht --- Stille --- und dann Ahsou! Baumeister Winter fügte leise aber bestimmt hinzu, dass man, wenn man sämtliche Stützen wegreißt, mitten im Raum eine Säule bauen müsse

Oh nein, keine Säule, bloß nicht, das is ja scheußlich, ich will keine Säule!

Ja dann wird halt das Haus einstürzen!

Ahsou? ... diesmal von uns, wenn so anschaulich unterrichtet wird, lernt man einen Dialekt sehr schnell.

 

Wir hatten als ersten Übergabetermin Ende April ausgemacht und ich machte Pläne für die Einweihungsparty, die ich im Sommer veranstalten wollte, Freunde würden kommen, Musik spielen, vielleicht, nein sicher, würden wir tanzen und ich würde selbstverständlich die Eingeborenen, also die Inzenhofer dazu einladen. Und während ich mich fröhlich in diesem Gedankengebäude verirrte, stellte der Baumeister fest, dass es zwar stimme, dass die Decke aus zwei gegeneinander laufenden Reihen Holzdrahm bestehe und man deshalb überaus gefahrlos eine andere Treppe anlegen könnte, dass in diesem Falle jedoch dieses Gebäude immer noch einsturzgefährdet sei. Der Dachstuhl würde das nicht tragen, der würde beim nächsten, schweren Frühlingsschnee nachgeben und über dem hübschen Haus zusammenbrechen. Wir waren ganz sicher nur zu dritt auf der Baustelle, die Arbeiter hatten mal wieder alles liegen und stehen lassen und waren mitten drin, während die Arbeiten an meinem Haus noch nicht annähernd beendet waren, zu einer neuen Baustelle aufgebrochen. Wir waren zu dritt, alle drei ernsthaft dreinblickend und trotzdem hörte ich ein Lachen! Was hatte ich bloß für seltsame Vorstellungen! Dachte mir da was aus und dachte gar nicht dran, dass das Haus dadurch einsturzgefährdet war.

 

Oh mein Gott, was jetzt? Während ich versuchte, mich doch mit der Säulenvariation mitten im Raum anzufreunden und einen von zwei Seiten zu befeuernden Kamin in diese unvermeidliche Säule visionierte, was übrigens total schön sein könnte, das sollte man mal ausprobieren, hatte Baumeister Winter mit seinen Professionisten konferiert und eine Lösung gefunden. Mir hat er davon nicht wirklich etwas gesagt, wahrscheinlich weil er mittlerweile wusste, dass ich mir nichts vorstellen kann und weil ein weiteres Mini Model, diesmal vom neuen Dachstuhl - zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte.

 

Apropos Zeit – nur ganz nebenbei möchte ich erwähnen, dass April, Mai und auch Juni längst vorübergezogen waren, von Einziehen war jedoch keine Rede. Ich habe nie durchschaut, warum die Arbeiter da waren oder eben plötzlich gingen oder gar nicht erst auftauchten. Wir haben in der Zwischenzeit das Kellerstöckl renoviert. Im Pfusch – oh, das sollte ich vielleicht nicht erwähnen. Naja, wenn es strafbar ist auf der eigenen Baustelle zu pfuschen, dann mußt du mich jetzt verhaften, Herr Bürgermeister. Manchmal lag ich dann im Bett im Kellerstöckl in der wundersam dunklen Nacht und dachte: getrennt haben wir uns nicht, aber vielleicht liegt da irgendein Fluch über dem Grundstück und wir werden niemals in das große Haus übersiedeln, endlose Baustellen werden unsere Zeit auffressen und das Dach wird zu Guter letzt doch noch über uns zusammenbrechen und uns vereint zwar aber doch erschlagen.

 

Dass es bisschen schneller voran ging, wenn ich persönlich anwesend war, ist mir dann bis Ende August klargeworden. Da war ich dann manchmal auch ein bisschen harsch, weil mir halt schön langsam die anderen Baustellen, zu denen die Spengler und Dachdecker und Fliesenleger und Maurer fahren mussten irgendwie erschreckend wurscht geworden waren. ICH! wollte jetzt fertig werden und es war mir auch wurscht, wann sie mit den anderen Baustellen fertig sein mussten. Ja, auch das war ein nicht zu unterschätzender Lernprozess hier im Südburgenland: man braucht Geduld, aber man muss auch richtig deutlich sagen, wann einem dieselbe gerissen ist. Das wirkt. In Wien ist das irgendwie anders. Da geben dir die Handwerker Termine, die du exakt einzuhalten hast. Da kriegst du eine email und dann musst du Punkt 7Uhr45 die Tür öffnen, sonst gehen die wieder und deine Therme ist halt kaputt. Nächster Termin in drei Wochen zwischen 1432 und 1605. Gnadenlos. Hier ist das anders, da kann morgen vielleicht auch übermorgen heißen oder dann doch nächste Woche. ich habe das noch nicht ganz durchschaut, aber mein Petermann hat das bereits verinnerlicht. Seit er ganz hierher gezogen ist, hat sich einiges verändert. Er kann mit diesen Ungefähren total gut umgehen, die machen ihm keine Probleme. Das geht soweit, dass er eines Tages – er war in Wien und ich hatte keine Zeit und hab ihn gebeten, dass er den Installateur reinläßt, Therme kaputt, 745 eh schon wissen – wie ich zu Mittag nach Hause komme, sitzt mein Petermann auf dem Sofa. Gelassen lächelnd, heiter. Na Schatz, Therme wieder ok? Nein. Warum? Ist sie total kaputt? Oje, bitte sag, dass man sie noch reparieren kann! Ich hab mich erkundigt, eine Neue ist wahnsinnig teuer und hat drei Wochen Lieferzeit und es soll saukalt werden die nächsten Tage und ... Peter? Schatz? Ich weiß nicht, ob man sie reparieren kann. Warum? Er war noch nicht da! Wer? Der Installateur. Was? Das verstehe ich nicht, er war noch nicht da? Ja. JA? Aber warum? Weiß ich nicht. aber warum hast du nicht angerufen, da muss man doch sofort anrufen, hei? Ach, der kommt schon. Was? Na, wenn er nicht heute kommt, dass morgen. Alles gut

 

... nein, da war nicht alles gut, das ist nicht wie im Burgenland, die kommen nicht. entweder der Termin steht oder er ist abgesagt, und irgendwann kommt einfach niemand, Schatz ... es war sinnlos! Diesbezüglich ist mein Mann einfach Burgenländer geworden. Überhaupt, er hat sich verändert. Für alle die ihn kennen bemerkbar ist: er ist wesentlich ruhiger geworden. Der Mazzu, der hin und her und fünfzehn Dinge gleichzeitig gemacht hat, den Mazzu den gibt es nicht mehr. Dafür ist da jetzt der Peda, der bei der christlichen Wahlfahrt dabei ist, der losstartet, wenn einer anruft und sagt, ich brauchat a Hand, der Uhudler macht, in den Wald geht und der sehr enttäuscht ist, dass er bei der Feuerwehr nicht mehr mitmachen kann. da nehmen sie ihn nicht mehr, weil er zu alt ist. ja, das war nicht so fein. Aber beim Freizeitverein ist er, ich auch und er radelt, geht kegeln und kennt die Leute, schön langsam. Mein einsamer Wolf, der nie gerne unter Leute gegangen ist, gehört hier irgendwie ein bisserl dazu. Ich glaube, das hat in unserem ersten Winter hier begonnen.

 

Wir sind ja nicht, wie geplant im April eingezogen, sondern ... am 22 Dezember! Ja, das war richtig kitschig – gleich Weihnachten. Ich hatte damals schon ein bisschen Angst: dass ich allein sein werde, da ich ja niemand kenne. Also hab ich gemacht, was ich früher immer gemacht hab: einen Nachbarschaftsbesuch mit Lebkuchen. Das war schön. Aber auch verwirrend. Es ist nämlich so, dass die ihre besondere Sprache haben. Ja, ganz ehrlich, man versteht sie nicht so, am Anfang. Die Sochan ... nochat heibs o ... meine Tochter war mit, bei diesen Weihnachtsbesuchen, hat höflich gelächelt und dann gemeint: Mami, was haben die gesagt? Ja, wenn man eine Zuagroaste ist, braucht man nicht glauben, dass man immer alles gleich versteht. Das braucht seine Zeit! Da muss man Geduld haben. Das geht nicht so heut auf gleich. Ehrlich gesagt, ist das ja auch gut so. und meine angst war eigentlich total unbegründet, mittlerweile kenn ich schon ganz viele. Muss mich aber gleich entschuldigen, das mit den Namen ist furchtbar: lauter Schabhüttels, Wolfs und Kurtas – die dann doch nicht verwandt sind. Na wurscht, dauert noch, in Wien vergeht kein Tag ohne Integrationsdebatte, an jeder Ecke wird darüber geredet und konferiert. Und leben tu ich sie hier, nämlich umgekehrt - ich muss mich integrieren.

 

Auch ein Lernprozess! Ich wünsche allen, die da so selbstsicher urteilen, wer sich wie zu integrieren habe, dass sei das mal selber erleben sollen. Und bei uns geht’s ja noch nicht einmal um ein fremdes Land oder eine fremde Sprache ... wobei – sei sölb ... ist schon fast Fremdsprache. Das ist nicht so selbstverständlich. Wenn man selber mal wo eine Zuagroaste ist, ändert sich der Blickwinkel und sie Sichtweise!

 

Also angefangen hat dieser „Prozess“ glaub ich, im ersten Winter, wie sie meinen Mann zum Schnapsbrennen eingeladen haben! Ja echt. Da ist er drei Tage lang sehr lustig nach Hause gekommen, mehr so auf allen Vieren und hat ... geduftet. Aber mit riesiger Freude und plötzlich hat er so viele Leute aus dem Ort gekannt. Er hat erzählt, wie die Frauen vorbeikommen und was zum essen bringen und wie man dann halt so redet und zusammenarbeitet.

 

Bei mir hat das bisschen länger gedauert – bis in den Fasching. Da sitz ich allein am Küchentisch und schreibe in aller Ruhe an meinem Drehbuch, schaue verträumt in die klirrende Winterkälte und die eisige Sonne hinaus ... plötzlich bumperts an der Tür und laut wird es und hui die wusch stehen die „Weiber“ im Raum, mit bunten Kostümen und spitzen Hüten und Ziehharmonika. Leutscheu hin oder her, das hat mir gar nix genützt, wir haben getanzt und ein Schanpserl getrunken und gelacht ... und am Ende hab ich ein paar Frauen, ein paar fidele Inzenhoferinnen gekannt. Fein muss ich sagen, sehr fein. Ich bin nämlich wirklich leutscheu, auch wenn man mir das nicht glauben mag, bei mir dauerts lang. Meine Tür ist immer offen, aber herein kommen müssen die Leute schon selber. Und ich muss noch sagen: ich liebe ja die Ruhe hier. Die ist so ein kostbarer Schatz! Ja, oft, wenn ich von Wien herkomme, steig ich aus dem Auto und merke wie da so etwas von mir abfällt, ich kann die Ohren wieder aufmachen – das Lauteste ist der Kuckuck! Und die Augen schauen auf die Symphonie in Grün und der Himmel hängt tief.

 

Ja, es ist mir jetzt wurscht, ob ich dumm wie eine Kitschtante säusele, das ist mir so wichtig und es ist was Kostbares! Wo findet man noch Orte, wo es so ruhig sein kann? überall hörst du es dröhnen und stampfen und brummen und kreischen.

Also wenn mich dann im Sommer um halb sechs die Kreissäge von der Hedi aus dem Bett hebt, bin ich wieder in der Welt. Hedi! Warum denn um halb sechs um Gottes Willen! Weil sie wach ist! macht sie ihr Holz. Manchmal hab ich Angst, dass sie sich was tut. Aber sie macht das schon lang, der passiert nix hoffe ich und dass der riesige Holzhaufen bald kleiner ist. Wahnsinn oder. Und dann gibt es noch ein schreckliches Geräusch ... der Esel! Was ist mit diesem Viech? Der schreit! Herzzerreißend, mitten in der Nacht, der schallt durch den Fuchsgraben, dass es mir das Herz zusammenkrampft. Ist das normal? Müssen Esel so schreien? Ich würde ihm eine Eselin dazugeben, damit er nicht so schreit. Oder würde er dann erst recht schreien? Naja. Er tut mir leid, ich kann nicht anders. Und ich wünschte, er würde nicht schreien, es ist herzzerreißend, immer, aber besonders um drei in der Früh.

 

Ansonsten – herrliche Ruhe, manchmal am Sonntag Nachmittag hört man Leute singen, alte Schlager mit Ziehharmonika, unermüdlich, immer wieder, bewundernswert. Ich weiß leider nicht, wer da übt, aber ich kann bestätigen: man hört es!

 

Naja, seit wir den Schabhüttel highway haben kommt´s auch hier mal vor, dass die Motoren röhren, also einer röhrt, so zwei drei mal die Woche. ich denk mir immer, was hat der davon, dass er so geschätzte 2 Minuten auf 100 beschleunigen kann? wenn er nicht rechtzeitig bremst, landet er im Vorgarten vom Bürgermeister Schabhüttel ... war das der Sinn? So, jetzt hab ich es mir verscherzt, weil ich das nicht verstehe! ich bin hoffnungslos arrogant, romantisch verdreht, mir tut jeder Baum weh, der da umgeholzt wird. Ich meine, ich hatte ja diesen Traum von einem Haus mit viel Garten und Wald drumrum. Und wir haben das hier gefunden! Diese herrliche Eiche! Also fünf Eichen stehen im Kreis und bilden eine riesige Krone neben unserem Haus, das ist faszinierend, wenn sie rauscht, wenn die Maikäfer hineinbrummen, wenn die Vögel drin singen und der Kuckuck ruft ... oje, oje, schon wieder die Kitschtante. Aber so bin ich halt. Und auf der anderen Strassenseite diese 80 jährigen Eichen und Buchen ... Wahnsinn hab ich mir damals gedacht, wie ich zum ersten Mal vor dem Haus war, genau wie in meiner Vision.

 

Deshalb war ich auch gleich alarmiert, als mein Mann anrief und sagt: du Schatz, da schneidet einer einen Baum um im Wald gegenüber! Na, hab ich mich schlau gemacht – Besitzer in Hartberg: hallo, hier ist die Nachbarin ... der Mann war leise verwirrt, ein Holzhändler aus Hartberg, der halt Wälder kauft, nicht sofort weiß, wo die sind und dann nachschaut und sagt: ah ja, Inzenhof, die san reif, die hoi ma jetzt. Was bitte tun sie? Na ernten, der Wald ist fertig. 80 Jahre baasd. Nein, bitte, das baasd gar nicht! Also, ich oute mich jetzt: ich hab das Stückerl Wald gekauft. Vielmehr die Bäume habe ich gekauft, mit der Erde dran, drunter ... damit das so bleibt, wie es ist. die Leute haben mich nachher oft gefragt: warum hast du des daun? Und das ist, bitte sehr die Erklärung: damit es so bleibt, wie es ist. Immer wieder wird mir Wald angeboten und wenn ich könnte, würde ich den wahrscheinlich auch kaufen. Weil ich da eine Meise habe. Ich will so gerne, dass die Bäume stehen bleiben.

 

Ich muss im frühern Leben eine EICHE g´wesen sein ...

 

Ja, so ist das mit mir. Es stimmt, ich bin leitscheich, aber ich hab so viel zu tun, in meinem Garten und so, ich bin auch drum oft nur zu Hause, weil ich rumschneide und einsetze und gieße und so was alles. Im ersten Herbst hab ich begonnen, den verwilderten Gemüsegarten umzustechen. Also das war wirklich ein Happening: am nächsten Tag hab ich nicht aufstehen können, ohne zu brüllen, vom Scheitel bis zur Ferse ein einziger Muskelkater. Umstechen hat bis dahin nicht so wirklich zu meinem Fitnessprogramm gehört. Aber das hat halt mit meiner Kindheit zu tun, ich habe mich an die Bauerngärten in dem kleinen Weinhauerdorf in Niederösterreich erinnert und wollt mir das herholen. Mit Cosmea und Ringelblume und Paradeiser, Petersiel, Knoffle, Zwiebel, Boschadln – Fisolen, Muakerln – Karrotten usw. und wie ich da so heldenmütig in die Erde steche mit einem völlig stumpfen, schlechten Spaten, da spüre ich was im Rücken, dreh mich um: ein paar Inzenhofer gucken über den Zaun. Was ich da mache? Na, umstechen halt? Sei? Ähm, ja, wer sonst, ist ja mein Gemüsegarten? Ahsou ... und ich habe das Gefühl, dass ich seit dem Tag irgendwie anders angeschaut werde. Integration!

 

Es gibt doch so viele, herrliche Dinge hier: die Körbe vom Alfred Attinger! Seine Torten und Schoßspeis und Bogatschen – oje, das kann ich nie aufhören, der beste Schweinsbraten der Welt von der Elfi Wolf.

 

Und das Nachspeisenbuffet bei der Weihnachtsfeier vom Freizeit Verein! Halleluja. Da muss ich übers Jahr ganz viel laufen! Da nehme ich schon vom Hinschauen zu! Überhaupt, alle diese Gelegenheiten Feuerwehrfest und Oktoberfest und Kirtag und so weiter ... sind ein Angriff auf meine Disziplin. Ich könnte mich immer eingraben in das herrliche Essen! Naja, dann muss ich halt öfter laufen gehen. Bergerl rauf, Bergerl runter, die Laufstrecken sind sehr anspruchsvoll, muss ich zugeben. Und da keuchst du dann den Fruchsberg rauf – bitte, da muss ich jetzt angeben. Ich habe ihn tatsächlich bezwungen! Und da geht’s ordentlich lang, ordentlich steil hinauf! Ja – also, ich keuche die letzten Meter rauf, bis es wieder eben wird, bei der Fischl Oma ihrem Haus vorbei am Haus von den Scharls und da steht der Scharl, beim Grasmähen glaub ich und lacht! Also ich bin unsicher ... schau ich blöd aus? wenn ich da so rauf dampfe? Oder findet er das lustig? Naja wurscht. Ich laufe weiter, weil ich das auch brauche. Laufen um zu Saufen – oder so. ich mag halt den Wein sehr. Ab und zu auch den Uhudler, ab und zu. Und da muss ich mich halt hernach bewegen.

 

Na und seit Kurzem ist ja noch ein langgehegter Wunsch von mir in Erfüllung gegangen: ich werd´ Imkerin! Und das kam so: unten bei Schmiedls war Wespenalarm – und abends rückt die Feuerwehr an. Ja! Tatsächlich, der Herr Kommandant und drei seiner tapferen Leute in voller Montur. Erst hab ich gelacht, wie ich dann das riesige Nest in der Holzverschallung gesehen habe und die aggressiven Wespen erlebt hab, war ich schon sehr beeindruckt. Toller Einsatz. Da war der Erwin Kurta dabei und wir kommen ins Reden, dass er jetzt Bienen macht und dann hat er mich mitgenommen zur Honigernte und jetzt mache ich selber welchen. Also werde welchen machen. Ist doch wunderbar

 

Schon wieder kitschig, ich weiß. Vielleicht sollte ich noch über irgendwas schimpfen, damit es nicht so einschleimerisch wirkt?

 

Also ... ich schimpfe die Hiesigen! weil sie gar nicht wissen, wie schön sie´s hier haben!